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Künstliche Intelligenz: „Vom Ruleset zum Mindset“ – (un)digitaler Freiheit eines Christenmenschen…

Künstliche Intelligenz: „Vom Ruleset zum Mindset“ – (un)digitaler Freiheit eines Christenmenschen…
Lesedauer 4 Minuten

Bist du noch KI oder schon KO? Wir treffen jeden Tag Tausende von Entscheidungen, mehr oder weniger automatisiert, angefangen bei der Klamotten-Auswahl. Für all das gibt es bereits Applikationen auf meinem Smartphone, unterstützt durch aufbereitete Datensätze wie einem ziemlich genauen Wetterbericht. Heute Sneakers oder Gummistiefel? Wie praktisch. Ich habe mit Swanhild Brenneke (Medienmagazin PRO) über die Chancen aber auch Risiken im Einsatz von Künstlicher Intelligenz gesprochen. Und unser Herzensthema. Welche Rolle kann christlicher Glauben dabei spielen, z.B. als Kontrapunkt gegenüber Allmachtsphantasien bishin zum Transhumanismus. Spuky? Hört selbst rein. Und schreibt eure Meinung in die Kommentare… 

Selten war so viel Unsicherheit im System! Und das trotz predictive analytics. Aus menschlicher Sicht. Das ist die Entscheidung von größerer Tragweite für oder gegen eine bestimmte Operationsmethode, einen neuen Job, eine neue Partnerin. Und die Frage ist als Mensch, wie ich mit dieser Unsicherheit umgehe. Da finde ich im christlichen Glauben Antworten, hauptsächlich im Doppelgebot der Liebe, neben dem manchmal fernen Gott und dem viel zu nahen Nachbarn auch sich selbst zu lieben und anzunehmen wie wir, wie ich glaube, von Gott her geschaffen sind. Ich denke, die christliche Perspektive sollte ansetzen, am Mindset der Menschen, die coden, programmieren und designen. Das hat dann auch Auswirkungen aufs Rule-Set der Software, davon bin ich überzeugt! 

Mit der Freiheit eines Christenmenschen hat sich bereits der Reformator Martin Luther intensiv auseinander gesetzt. Und von diesen Fragen kann ich aus den unterschiedlichen Perspektiven des Users auch profitieren. Was prägt mich? Was befreit mich, was belastet, wo werde ich durch maschinell gestützte Entscheidungen womöglich bevormundet?

„Der Freiheitsbegriff ist mir total wichtig“

Jan Thomas Otte

Bei manchen Themen zum Thema KI habe ich Bauchschmerzen. Im Bereich Kreditfinanzierung, quasi intelligente SCHUFA, und im Bereich Personalwesen mit Recruiting-Robotern gibt es ja schon viele Anwendungsfälle. Ich sehe hier die Entwicklung nach weiterer Effizienzsteigerung und stärkerer Risikominimierung. All das dient kapitalistischen Prinzipien, denen wir tagtäglich im Job dienen – zumindest meinen, dass zu müssen. Hinzukommt unsere eigene Faulheit, dass wir künftig weniger ernsthaft Informationen und Statistiken hinterfragen, die uns via ChatGPT zugeliefert werden. 

Vermeintlich perfekte Welt, dytopische Momente 

Transhumanist*innen zeichnen eine allzu gerne perfekte Welt. Hier finde ich aus dem Bereich christlicher Religion, dass wir einen Kontrapunkt setzen können. Ohne auf allzu schreckliche Filme aus Hollywood zurückgreifen zu müssen mit schockierenden, dystopischen Momenten. Vielleicht wäre das interessant, einen dritten Schöpfungsbericht zu schreiben. Neben dem ersten, der auf den Kosmos zielt. Und dem zweiten, der die Menschen mit all ihren Vergänglichkeitsmomenten und Schwächen, aber auch Stärken und Potenzialen allumfassend in den Blick nimmt, Was wäre dann?

 Jan Thomas Otte, Techtheologe & Digitalethiker (Foto: Privat/ NN)
Jan Thomas Otte, Techtheologe & Digitalethiker bei „Hello Robot“, Design zwischen Mensch und Maschine. Einer Ausstellung im Vitra Museum in Weil Am Rhein (Foto: Privat/ NN)

Denn in dieser Wenn-Dann-Struktur beginnt ja auch alle Form von künstlicher Intelligenz. Und der Mensch strebt, seit seiner Existenz zu Höhere , siehe Turmbau zu Babel in der alten Erzählung, dem Mythos  im Alten Testament. All das ist faszinierend und erschreckend zugleich.

Stärken und Schwächen beibehalten

Stelle die folgende Situation vor: Du bist Python-Programmierer*in und wacht eines Tages auf als der Technik Gott schlechthin. Teilst du weiter? Oder behältst alles neue wissen für dich. Wirst du das Leiden in der Welt schlagartig für alle Menschen ändern oder an Bedingungen knüpfen – an den Geldbeutel, eine bestimmte politische Überzeugung oder Religionszugehörigkeit, und andere Parameter. Das wäre bestimmt ein spannender Designthinking-Workshop! Long story short.

Wir könnten Stunden damit verbringen, begeistert davon zu berichten, was diese neuen KI-Tools alles können. Ich führe gerne auf den Punkt, die ethische Frage, ob ich diese Errungenschaften auch und wenn ja, zu welchem Grad in bestimmten Use Cases einsetzen möchte, in meinem täglichen Business. Um Verbote werden wir dabei nicht herumkommen, analog zu Aufsichtsbehörden und Regularien im Bereich Gesundheit und Finanzen, die wir hier in Deutschland und der EU schon längst haben. 

Staatliche Regulierung überfällig 

Im Bereich der Pflichten-Ethik und auch Folgenabschätzung sind wir weiter gekommen. ChatGPT weigert sich beispielsweise, Menschen zu beleidigen. Auf Rückfrage gibt das System an, dass es so programmiert sei. Eine weitere, allgemein verständliche und nachvollziehbare, transparente Offenlegung des Quellcode findet an dieser Stelle, trotz Bemühungen um Open-Source durch Stiftungen, nicht statt. Da ist noch Nachholbedarf. Aber ich bin überzeugt, dass wir als Menschen das in der Hand haben und da hinkommen werden.

Jan Thomas Otte, Techtheologe & Digitalethiker bei "Hello Robot", Design zwischen Mensch und Maschine. Einer Ausstellung im Vitra Museum in Weil Am Rhein (Foto: Privat/ NN)

Frappierend eine aktuelle Werbekampagne vom Mutterkonzern von Facebook, Meta. Sie werben mit argumentierter Realität und benutzen dabei als Unternehmen, dem Evidenz basiert mit diversen Datenschutz-Skandalen wenig Vertrauen entgegen gebracht werden sollte mit ausgerechnet der Berufsgruppe, denen wir statistisch am meisten vertrauen, mit Feuerwehrleuten. Das ist ein bekanntes Prinzip, dass mit Sicherheit neue Ängste geschaffen werden. Dass ich davon profitieren kann bedingt, dass ich mein Haus komplett mit Sensoren ausstatten, wie Sie schon einmal in Staubsaugern und Kühlschränken und Armband-Uhren verbaut sind. Musst du wollen! Und nicht alle Ansätze, unsere Welt besser und sicherer zu machen, sind tugendhaft.

Christliche Tugenden „up to date“

Im Bereich der Tugend-Ethik sehe ich noch großes Potenzial! Begriffe wie Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und einen würdevolleren Umgang mit menschlicher Schwäche und Vergänglichkeit. Mir schwebt vor, einen angstfreien Umgang mit Hightech zu entwickeln. Zumindest ist das mein Anliegen in meinen Kursen, wo ich Führungskräfte begleite auf ihrem Weg in den künftig durchdigitalisierten Arbeitsmarkt. Dazu gebe ich ihnen als „Techtheologe“ Tools an die Hand, mit denen sie nicht nur digital sondern auch ethisch fit gemacht werden – als Data Scientists und Agile Coaches der neuen Zeit. Du hast Interesse daran? Mehr zu meinem Programm bei Digethic, Deutschlands erster Business School für Digitale Ethik gibt’s hier.

Artikelbild: Clarisse Croset/ Unsplash

Jan Otte

Jan Otte ist Tech-Theologe und arbeitet als Evangelist zu #ResponsibleAI-Themen in den Bereichen Digitale Ethik, Agile Leadership und Veränderungsprozessen.

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